Online gegen invasive Pflanzen

Gebietsfremde, invasive Pflanzen kosten die Allgemeinheit Millionen. Der ETH-Spin-off ?In-Finitude? hat rechtzeitig auf die Vegetationsperiode hin eine neue Online-Plattform geschaffen. Darauf werden Standorte von invasiven Neophyten schweizweit angezeigt und Grundst¨¹ckeigent¨¹mer sowie Gemeinden bei deren Bek?mpfung unterst¨¹tzt. 

Marc Vogt und Alain Bachmann wollen das Problem der invasiven Neophyten an der Wurzel packen. (Bild: ETH Zürich / Peter Rüegg)  
Marc Vogt und Alain Bachmann wollen das Problem der invasiven Neophyten an der Wurzel packen. (Bild: ETH Z¨¹rich / Peter R¨¹egg)  

Der Gr¨¹nder des ETH-Spin-offs ?In-Finitude?, Marc Vogt, ist nicht bescheiden, wenn er das Marktpotential f¨¹r sein Produkt umreisst: ?Weltweit verursachen gebietsfremde Organismen Sch?den von 1400 Milliarden Franken, und wir sind aktuell die einzigen Anbieter einer Digitall?sung zu deren systematischen Bek?mpfung.?

Invasive Arten sind die zweitgr?sste Ursache f¨¹r den globalen Verlust von Artenvielfalt, nach der Zerst?rung von Lebensr?umen durch den Menschen. Deshalb ist Vogt ¨¹berzeugt: ?Es braucht ein neues Denken, sonst werden lokale Arten von gebietsfremden verdr?ngt. Und je l?nger wir mit einer effektiven Bek?mpfung zuwarten, desto teurer wird es.?

In-Finitudes Beitrag zum globalen Problem: Eine Online-Plattform zur effizienteren Bek?mpfung von invasiven, gebietsfremden Pflanzen. Vor wenigen Wochen ging eine Betaversion von ?externe SeitePollenn? online. Dar¨¹ber k?nnen Interessierte auf Karten, wie man sie von Google Maps kennt, die Verbreitung von 18 sogenannten invasiven Neophyten, die 2008 vom Bund verboten wurden (siehe Kasten), schweizweit verfolgen und eigene Funde eintragen.

Zu jedem Eintrag bietet die Plattform wichtige Zusatzinformationen, etwa zum Lebensraum, zur Verbreitung, zu ?kologischen Problemen und rechtlichen Grundlagen. Die Plattform enth?lt zur Bestimmungshilfe Bilder der Pflanzen sowie eine Sch?tzung, wie viel deren Eliminierung pro Quadratmeter kosten wird.

Kommunikation unter Akteuren erleichtern

Um invasive Neophyten aus ?kologisch wertvollen Lebensr?umen fernzuhalten, werden in der Schweiz laut der Naturschutzorganisation Pro Natura j?hrlich ¨¹ber 20 Millionen Franken ausgegeben. Vogt und sein Mitarbeiter Bachmann gehen davon aus, dass die Kosten aufgrund fehlender Daten noch deutlich h?her liegen. Die Sch?den in den USA aufgrund gebietsfremder Organismen (inklusive Tiere) liegen gem?ss einer Studie bei 137 Milliarden Dollar ¨C pro Jahr. ?Das Bewusstsein f¨¹r die Problematik und das Interesse an Kooperationen w?chst deshalb stetig?, ist Vogt ¨¹berzeugt.

Neophyten
Vier gebietsfremde invasive Pflanzenarten, die der hiesigen Natur und der Infrastruktur betr?chtlich schaden k?nnen: Goldrute, Viel?hriger Kn?terich, Dr¨¹siges Springkraut und der Riesenb?renklau. (alle Bilder: www.neophyt.ch)

Invasive Neophyten verursachen Sch?den bei Strassen, Fliessgew?ssern und Infrastrukturen, sind f¨¹r den Ausfall von landwirtschaftlichen Produktionsfl?chen verantwortlich und sind teilweise h?chst allergen, wie die ber¨¹chtigte Ambrosia. Die verursachten Kosten tragen die Steuerzahler. ?Unsere Plattform soll die Kommunikation zwischen Gemeinden, Grundst¨¹ckeigent¨¹mern und B¨¹rgern erleichtern und alle Akteure dabei unterst¨¹tzen, die effizienteste Art zu finden, wie sie das Problem beheben k?nnen?, erkl?rt Vogt.

Daraus hat In-Finitude eine Gesch?ftsidee entwickelt: Der Zugang zu Pollenn zur Information ¨¹ber invasive Neophyten und zum Eintragen von Neufunden ist kostenlos. Entsch?digen l?sst sich das Unternehmen lediglich f¨¹r die Nutzung der Plattform als Kommunikationsmittel. Zum Beispiel k?nnen Gemeinden Informationen und Hilfestellungen einblenden, wenn jemand auf deren Gebiet einen neuen Fund eintr?gt. Daf¨¹r bezahlen sie In-Finitude einen Beitrag von 2900 Franken im ersten Jahr. F¨¹r G?rtner und andere Dienstleister werden spezielle Abonnements angeboten.

Profis helfen Eigent¨¹mern

Zum Erfolg wird Pollenn jedoch nur, wenn auch die Grundst¨¹ckeigent¨¹mer mitmachen. ?Wir bieten Eigent¨¹mern professionelle Hilfe an, damit sie den Wert ihres Grundst¨¹cks erhalten k?nnen?, erkl?rt Vogt. Diese k?nnen n?mlich b?se ?berraschungen erleben, weil sie mit invasiven Neophyten und deren Hinterlassenschaften, wie Wurzeln oder Samen, belastete B?den f¨¹r tausende von Franken sanieren m¨¹ssen.

Staudenkn?teriche zum Beispiel widersetzen sich ihrer Ausrottung besonders hartn?ckig: Um sie (und alle ihre Wurzelst¨¹cke) restlos zu beseitigen, muss das Erdreich drei bis f¨¹nf Meter tief ausgehoben werden. Warten Eigent¨¹mer zu lange damit, kann dies den Grundst¨¹ckwert deutlich reduzieren. Ganz abgesehen davon, dass sie gesetzlich zur Tilgung der Eindringlinge aufgefordert  sind.

?Grundst¨¹ckeigent¨¹mer finden auf Pollenn alle n?tigen Informationen auf einen Blick, ¨¹bersichtlich aufgearbeitet und in verst?ndlicher Sprache?, sagt Vogt. ?ber Angebote von spezialisierten Gartenbauunternehmen, die zur Bewerbung ihrer Dienste einen Beitrag zahlen, sollen Eigent¨¹mer schnell zu Partnern finden, welche die Grundst¨¹cke sanieren k?nnen.

Ecoworks und BioZH als Vorl?ufer

Marc Vogt konnte in den vergangenen Jahren viel Erfahrung mit Gesch?ftsmodellen sammeln, die auf Nachhaltigkeitsdienstleistungen basieren. W?hrend seines Masters am Department of Management, Technology and Economics (D-MTEC) an der ETH Z¨¹rich entwickelte der Umweltwissenschaftler 2007 das Projekt ?Ecoworks?, eine Plattform, ¨¹ber welche Studierende und Mitarbeiter der ETH Z¨¹rich Ideen f¨¹r die Verringerung von CO2-Emissionen an der Hochschule einbringen k?nnen.

2010 gr¨¹ndete er In-Finitude. Damit wollte er vor allem neue Bildungsformate lancieren, als Grundlage f¨¹r eine Gesellschaft, welche die ?kologie ¨C und nicht die ?konomie ¨C in den Mittelpunkt ihrer T?tigkeiten stellt. 2013 ging daraus das Projekt ?BioZH? hervor. BioZH sollte eine Vernetzungsplattform mit Punktesystem werden, ¨¹ber die eigene Aktivit?ten zugunsten von Umwelt und Biodiversit?t gegen Ausbildungsangebote im Bereich Nachhaltigkeit eingetauscht werden k?nnen. ?Das System war zu komplex und schlecht kommunizierbar; die meisten Leute verstanden die Idee nicht?, weiss Vogt heute. Seither beschr?nkt sich BioZH auf die Organisation von Kursen zu essbaren Wildpflanzen, Biodiversit?t und Heilkr?utern.

Als zweites Standbein ¨¹bernahm In-Finitude f¨¹r Kantone, Hochschulen und Unternehmen Mandate im Bereich Nachhaltigkeit. 2015 holte Vogt Alain Bachmann ins Boot. Dieser durchlief einst an der ETH Z¨¹rich eine Lehre als Forstwart, ehe er nach Zwischenstationen im Bankenwesen ein Umweltingenieurstudium an der Z¨¹rcher Hochschule f¨¹r Angewandte Wissenschaften (ZHAW) absolvierte.

Nutzung bestehender Datenbank

F¨¹r den Aufbau von Pollenn haben sich Vogt und Bachmann in den letzten Monaten mit dutzenden Vertretern von Kantonen, Gemeinden und Bundes?mtern sowie mit Fachleuten getroffen. Das Projekt stiess bei den Bundes?mtern f¨¹r Umwelt (BAFU) und Landwirtschaft (BLW) sowie dem Branchenverband ?JardinSuisse? auf Interesse und erhielt eine Anschubfinanzierung, um einen Prototypen der Online-Plattform zu entwickeln.

Hinzu kam die Zusammenarbeit mit ?externe SeiteInfo Flora?, einer etablierten, nicht-kommerziellen Datenbank f¨¹r Wildpflanzenfunde. Diese enth?lt rund einhunderttausend Eintr?ge zu Neophyten. In-Finitude nutzt diese zur Visualisierung von bekannten Fundstandorten. Neufunde auf Pollenn werden im Normalfall auch bei Info Flora hinterlegt. So profitierten laut den Initiatoren beide Plattformen von der Kooperation. Gleichzeitig haben Nutzer aus Gr¨¹nden des Datenschutzes aber auch die M?glichkeit, Funde auf ihrem Privatgrund einzutragen, ohne dass sie f¨¹r andere sichtbar sind.

St?dte und Gemeinde ziehen mit

Bis heute konnte In-Finitude die St?dte St. Gallen und Uster als Kunden gewinnen. Mit weiteren St?dten und Gemeinden sei man aktuell im Gespr?ch. K¨¹rzlich ist auch eine erste Anfrage aus Frankreich eingetroffen. Um die Plattform schnell zu erweitern, sucht der ETH-Spin-off aktuell nach Investoren. Bis 2019 soll der Gewinn auf dem Schweizer Markt laut Businessplan bei zwei Millionen Franken liegen. Das w?ren zwar noch nicht ganz die 1400 Milliarden, auf die Vogt das weltweite Marktpotential sch?tzt, aber ein gelungener Start f¨¹r ein Unternehmen, das sich der Rettung der einheimischen Biodiversit?t verschrieben hat.

Neophyten und die Freisetzungsverordnung

In der Schweiz kommen ¨¹ber 500 gebietsfremde Pflanzen (Neophyten) vor. 58 davon sind sogenannt invasiv und haben das Potenzial ?kologische, ?konomische oder gesundheitliche Sch?den anzurichten. Bei 18 dieser invasiven Neulinge, darunter der Essigbaum, asiatische Staudenkn?teriche oder Kanadische Goldruten, sind die Sch?den besonders hoch. Verkauf, Verbreitung und das Anpflanzen wurden deshalb 2008 vom Bund durch die Freisetzungsverordnung verboten. Die Kantone sind seither dazu verpflichtet, invasive Neophyten zu bek?mpfen und deren Verbreitung einzud?mmen. Mehr Informationen unter: externe Seitehttp://www.efbs.admin.ch

Gewisse Neophyten wie dieser Essigbaum schädigen Bauten des Menschen. (Bild: ETH Zürich / Peter Rüegg)
Gewisse Neophyten wie dieser Essigbaum sch?digen Bauten des Menschen. (Bild: ETH Z¨¹rich / Peter R¨¹egg)

Sommerserie

Im Rahmen einer Serie pr?sentiert ETH-News w?hrend der Ferienzeit regelm?ssig Beitr?ge zu Forschung und Innovation, welche etwas mit der sch?nsten Zeit des Jahres zu tun haben.

Bisher erschienen:

19.07. ?Den Urlaub nicht als Gl¨¹cksmoment belasten?

21.07. ?Asphalt hat einen gewichtigen Nachteil?

28.07. K¨¹hlvorhang statt Klimaanlage

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